Fragt man Schüler:innen, ob sie zu einem selbst geschriebenen Text lieber Feedback durch eine Lehrkraft, eine Mitschüler:in oder durch eine auf KI basierende Feedback-App bekommen wollen, so antworten die meisten Kinder und Jugendlichen ohne zu zögern, dass sie die Rückmeldung durch die Lehrkraft oder die Peers bevorzugen.
Damit könnte dieser Blogbeitrag auch schon beendet sein, denn offensichtlich trauen die Schüler:innen den menschlichen Feedbackgebern eine genauere und bessere Reaktion zum Lernstand und zu Lernperspektiven zu als den maschinellen.
Nicht ganz zu Unrecht: Die Rückmeldung durch die Lehrkraft kann unmittelbar in der Unterrichtssituation und auf die individuellen Vorerfahrungen der Schüler:innen abgestimmt erfolgen. Die erfahrene Lehrkraft kennt durch den persönlichen Kontakt die Lernhistorie, sowie die Stärken und Schwächen jedes bzw. jeder Schüler:in und kann das Feedback daran anpassen. So sind sehr spezifische Rückmeldungen zum Lernstand möglich. Die Kinder und Jugendlichen haben des Weiteren die Möglichkeit, sofort Rückfragen zu stellen, etwa wenn sie das Feedback nicht verstanden haben.
In einer idealen Welt ist dies mit Sicherheit die beste Art des Feedbacks. Dass das deutsche Schulwesen jedoch meilenweit von einem idealen Zustand entfernt ist, zeigt sich u.a. am miserablen Abschneiden in diversen Bildungsstudien (vgl. https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/iqb-bildungstrend-die-wichtigsten-ergebnisse/), am Lehrkräftemangel, überbordenden Stoffplänen und den Herausforderungen einer wachsenden Heterogenität in der Schülerschaft.
Gutes Feedback ist zeitaufwendig. Möchte eine Lehrkraft jedem Kind eine Rückmeldung zu den erledigten Hausaufgaben geben, so ist dies nicht nur ermüdend für die gesamte Klasse, sondern führt auch dazu, dass man nichts anderes in der Schulstunde macht. Schaut sich die Lehrkraft die Schüler:innentexte jedoch am Nachmittag oder am Wochenende an, so erfolgt das Feedback oft zeitlich stark verzögert. Der Zusammenhang zum Lerngegenstand geht verloren, das Feedback hat für die Schüler:innen kaum noch Relevanz.
Lehrkräfte, die den Schüler:innen anbieten, ihre Texte zu feedbacken sind oft überrascht, wie wenig diese Hilfe von den Schüler:innen in Anspruch genommen wird. Dies liegt nicht vornehmlich an der Faulheit der Schüler:innen, sondern kann ganz andere Gründe haben: Einige Kinder fürchten, dass das Feedback der Lehrkraft durch dessen persönlichen Vorurteile beeinflusst ist, sie also kein faires Feedback zu erwarten haben. Oder sie sind in Sorge, dass das Feedback trotz aller Beteuerungen bewusst oder unbewusst doch in ihre Note einfließt.
Als Alternative bietet sich das Feedback durch Peers an. Wenn 30 Schüler:innen sich gegenseitig Feedback geben, kann es ganz offensichtlich schneller bereitgestellt werden, als wenn die Lehrkraft alleine die 30 Texte gelesen und eine Rückmeldung formuliert hätte. Ein weiterer Vorteil: Kinder und Jugendliche bieten nicht selten eine andere, subjektivere Perspektive, welche die Lehrkraft möglicherweise nicht vorhalten kann. Das gemeinsame Brüten über den eignen Texten fördert zudem den Aufbau einer gemeinschaftlichen Lernumgebung.
Was viele Schüler:innen allerdings beklagen: Die Qualität der Peer-Rückmeldung weist häufig Defizite auf. Unbeholfenheit, mangelnde Erfahrung, fehlendes Wissen oder auch Zwistigkeiten in der Klasse führen zu wenig aussagekräftigen, emotional eingefärbten, weniger objektiven oder gar falschen Rückmeldungen.
Es lohnt also, den Blick auf KI basierte Feedback-Apps zu werfen. Derer gibt es momentan noch gar nicht so viele, sodass es nicht verwunderlich ist, dass viele Lehrkräfte, Schüler:innen und Eltern ihnen nicht viel zutrauen. Datenschutzbedenken und die fehlende menschliche Interaktion werden als die Hauptprobleme digitalen Feedbacks von Lehrkräften und Schüler:innen identifiziert. Phillipe Wampfler beklagt gar, dass KI Tools keine echte Individualisierung bieten würden (vgl.: https://schulesocialmedia.com/2023/06/26/ki-und-das-problematische-versprechen-der-individualisierung/).
Lohnt sich ein Blick auf die KI-Tools trotzdem? Die ersten datenschutzkonformen Tools stehen in den Startlöchern. Die Ablehnung gegenüber KI in der Schule bröckelt, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage des Raabe Verlags zeigt (vgl.: https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2023-06/kuenstliche-intelligenz-schule-bildung-eltern-umfrage-chatgpt). KI basierte Feedback-Apps bieten auch entscheidende Vorteile, und zwar genau in den Bereichen, die für Lehrkräfte und Peers als problematisch erkannt worden sind: Durch eine Feedback-App können Schüler:innen in Sekunden Rückmeldung zu ihren Texten bekommen. Die Zeitersparnis für die unterrichtenden Lehrer:innen ist so massiv, dass die gewonnenen Kapazitäten der Lehrkraft in persönliche Lernsettings, die Pflege der Beziehungen und in die fachliche Arbeit mit den Schüler:innen investiert werden können.
Des Weiteren müssen Schüler:innen nicht in Sorge sein, dass die KI über ihre Fehler urteilt. Eine KI ermüdet nicht, sie reagiert nicht genervt, wenn ein Fehler trotz Hilfe und Korrektur mehrfach auftritt. Sie kann tendenziell objektiveres Feedback liefern und erkennt auf der Basis riesiger Datenmengen Muster, die Lehrkräfte möglicherweise übersehen. Eine Zusammenschau des individuellen Schüler:innenfeedbacks in einer zusammenfassenden Auswertung der ganzen Klasse durch das KI-Tool erlaubt es zudem, Kompetenzlücken bei der Lerngruppe rechtzeitig zu identifizieren. So wirkt das digitale Feedback in beide Richtungen: in Richtung der Schüler:innen, die sich fachlich verbessern und in Richtung der Lehrkräfte, die ihren Unterricht prüfen und anpassen können.
Die Ausgangsfrage ist falsch gestellt! Nicht: „Wer gibt das bessere Feedback? Mensch oder Maschine?“ Sondern: „Wie lassen sich die Vorzüge aller drei Feedback-Arten in einem zeitgemäßen Unterricht kombinieren?“ Nicht „entweder oder“ - sondern „sowohl als auch“.
Moderner Unterricht braucht das persönliche Experten-Feedback durch die Lehrkraft, die „persönliche Bildung” (https://schulesocialmedia.com/2023/06/26/ki-und-das-problematische-versprechen-der-individualisierung/). Unterricht braucht das subjektiv angehauchte Feedback der Peergruppe und er wird ergänzt durch die digitale Rückmeldung einer auf KI basierenden Feedback-App.
Die Leistung der Lehrkraft wird zukünftig in der Orchestrierung der drei Feedbackarten liegen, in der Entscheidung, wann welche Art des Feedbacks besonders lernförderlich ist.