Die Integration von KI-Tools in den Schulalltag eröffnet neue Möglichkeiten für einen effektiven und motivierenden Sprachunterricht. In diesem Beitrag stelle ich einen Workflow vor, der verschiedene KI-Tools kombiniert, um Schüler:innentexte nicht nur zu verbessern, sondern auch in ein spannendes neues Format zu transformieren. Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis.
Der Schreibprozess mit fiete.ai
Der Prozess beginnt mit einer klassischen Schreibaufgabe, die die Schülerinnen und Schüler zunächst eigenständig bearbeiten. Als Beispiel möchte ich eine Aufgabe zur Textsorte "Informal Email" vorstellen, für die ich in fiete.ai folgende Parameter definiert habe:
Die unterschiedliche Gewichtung der Parameter ermöglicht es, den Fokus gezielt auf bestimmte Aspekte zu legen. In diesem Fall liegt der Schwerpunkt auf klassische Bewertungskriterien wie Struktur, Grammatik und der Kohäsion - zentrale Elemente für schulisches Schreiben.
„Besonders wertvoll ist dabei, dass fiete.ai die Jugendlichen auf Schwachstellen hinführt, ohne direkte Lösungen zu liefern. Die KI fungiert als Lernbegleiter, nicht als Lösungsautomat.“
Die Software analysiert die Texte dann auf diese Aspekte hin. Dabei agiert sie wie ein digitaler Lernbegleiter, der konkrete Verbesserungsvorschläge macht, ohne gleich die perfekte Formulierung zu liefern.
„Your post has a clear structure, and the flow between paragraphs has improved. However, you can still work on making the transitions smoother. Ensure each paragraph focuses on a single main idea to avoid confusion. (KI-Strukturfeedback für Martin)“
„Your grammar is generally good, but a few areas need improvement. For example, 'Childhood has also it's drawbacks' has to be revised. Also, pay attention to subject-verb agreement and sentence structure. (KI-Grammatikfeedback für Belma)“
Die eigentliche Überarbeitung liegt dann wieder ganz in den Händen der Jugendlichen. Mit dem Feedback der KI vor Augen beginnen sie mit der zweiten Version ihres Textes. Sie entscheiden selbst, welche Anregungen sie aufgreifen und wie sie ihren Text verbessern wollen. Meine Rolle ist dabei zentral: Im Unterricht stehe ich für Fragen zur Verfügung, diskutiere mit den Schülerinnen und Schülern über die Vorschläge der KI und achte darauf, dass die Technik als Hilfsmittel eingesetzt wird und nicht als Ersatz für eigenständiges Denken.
Die finale Version wird dann über die am Schulstandort übliche Plattform Google Classroom eingereicht. Nach der Abgabe korrigiere ich die Texte natürlich noch selbst und gebe individuelles Feedback. Ein wesentlicher Aspekt dabei: Der Fokus liegt auf dem Lernprozess, nicht auf dem perfekten Endprodukt. Das ist in Zeiten allgegenwärtiger KI-Tools wohl der einzig sinnvolle Weg.
Von der Textsammlung zum Podcast: Der technische Workflow
Nach der Überarbeitung und finalen Abgabe der Texte beginnt der spannendste Teil des Prozesses: die Transformation in einen Podcast. Dafür nutze ich NotebookLLM von Google, wo ich folgende Customize-Einstellung verwende:
Nach sorgfältiger Entfernung aller persönlichen Daten entsteht aus den Schüler:innentexten eine lebendige Diskussion zwischen zwei KI-Stimmen. Sie analysieren die Arbeiten, greifen interessante Gedanken auf und diskutieren die verschiedenen Perspektiven – ganz im Stil einer amerikanischen Radiosendung.
Die resultierenden Podcasts haben typischerweise eine Länge zwischen 3 und 15 Minuten - je nach Umfang und Inhalt der Schülertexte. Die Länge kann man leider (noch?) nicht einstellen. Ein besonders interessanter Moment entsteht, wenn ich den Podcast ohne Vorankündigung im Unterricht abspiele.
„Die Reaktionen reichen von ungläubigem Staunen ('Reden die über uns? Über unsere Texte?'), über fragende Blicke ob der Echtheit der Stimmen bis hin zu Schmunzeln ('Ist das schon wieder etwas Neues von 'Ihren' KI-Tools, Herr Gmeiner?)“
Vom Podcast zum Lernmaterial
Der generierte Podcast wird anschließend mit Tools wie TurboScribe (3 gratis Transkribtionen pro Tag sind möglich) transkribiert - ein Prozess, der etwa fünf Minuten dauert. Mit diesem Transkript erstelle ich dann mithilfe von ChatGPT oder Claude verschiedene Übungsformate für eine Listening Comprehension. So entsteht aus den ursprünglichen Schüler:innentexten authentisches Lernmaterial, das mehrere Sprachkompetenzen trainiert.
Praktische Tipps für die Umsetzung
Aus meiner Erfahrung sind folgende Punkte für eine erfolgreiche Implementation wichtig:
Klare Prozesssteuerung
Der gesamte Schreibprozess findet im Unterricht statt. Dies gewährleistet nicht nur die kontrollierte Nutzung der Tools, sondern ermöglicht auch direkte Unterstützung bei Fragen.
Transparente Kommunikation
Die Arbeitsschritte werden klar auf der jeweiligen Lernplattform (Google Classroom, Microsoft Teams, etc.) kommuniziert.
Experimentierfreude
Eine positive Fehlerkultur ist essentiell (und im deutschsprachigen Raum oft nicht vorhanden). Nicht jeder Versuch wird perfekt sein, aber jeder könnte wertvolle Erkenntnisse für die weitere Entwicklung liefern.
Der pädagogische Nutzen
Die Kombination verschiedener KI-Tools ermöglicht einen integrativen Ansatz, bei dem unterschiedliche Sprachkompetenzen innerhalb einer thematischen Einheit trainiert werden. Konkret bedeutet das:
Schreibkompetenz
Durch das gezielte Feedback von fiete.ai entwickeln die Schülerinnen und Schüler ein besseres Verständnis für ihre Texte. Sie lernen, ihre Arbeit kritisch zu reflektieren und systematisch zu verbessern.
Hörverstehen
Die Transformation der eigenen Texte in einen Podcast schafft eine besonders motivierende Situation für das Training des Hörverstehens. Die Schülerinnen und Schüler sind naturgemäß interessiert, wie ihre eigenen Ideen präsentiert werden.
Sprachliche Reflexion
Wenn die Jugendlichen ihre eigenen Texte in einem professionell wirkenden Audioformat wiedererkennen, entsteht oft eine vertiefte Auseinandersetzung mit den behandelten Themen.
Technische Hinweise für die Umsetzung
Für Lehrkräfte, die diesen Workflow ausprobieren möchten, sind einige technische Details wichtig:
Datenschutz
Vor der Verarbeitung in NotebookLLM müssen alle persönlichen Daten aus den Texten entfernt werden. (Auch wenn Google angibt, dass die Daten aus NotebookLLM explizit nicht für Trainingszwecke verwendet werden.)
Zeitmanagement
- Schreibphase mit fiete.ai: 60-80 Minuten
- Podcast-Generierung: je nach Textmenge 3-15 Minuten
- Transkription: etwa 5 Minuten
- Erstellung der Übungen: flexibel gestaltbar
Tool-Integration
Die Nutzung von Google Classroom vereinfacht den Workflow, da die Texte direkt in Google Docs gespeichert sind und leicht in NotebookLLM importiert werden können.
Fazit und Ausblick
Diese Methode zeigt exemplarisch, wie KI-Tools den Sprachunterricht nicht nur effizienter, sondern auch motivierender gestalten können. Der besondere Mehrwert liegt in der Verbindung verschiedener Kompetenzen innerhalb einer thematisch geschlossenen Einheit. Das macht den Unterricht effektiv und unterhaltsam - sowohl für die Schülerinnen und Schüler als auch für die Lehrperson.
„Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht in der einzelnen Technologie, sondern in der Kombination verschiedener Tools, die den Lernprozess unterstützen. Der wesentliche Punkt ist aber nicht die Technologie selbst, sondern die Art und Weise, wie wir sie einsetzen.“
Für die Zukunft ergeben sich weitere spannende Möglichkeiten: Sobald die Podcast-Funktion in weiteren Sprachen verfügbar ist, lässt sich dieser Workflow auch in anderen Sprachfächern einsetzen. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der KI-Tools wird zudem neue Möglichkeiten eröffnen, den Sprachunterricht noch individueller und effektiver zu gestalten.
Über den Autor
Bernhard Gmeiner unterrichtet Englisch und Geographie & wirtschaftliche Bildung am GRG15 Auf der Schmelz in Wien. Er hält Keynotes zu Künstlicher Intelligenz im Bildungsbereich und teilt seine Erfahrungen regelmäßig auf derstandard.at.